Kolumne

Ist er der Richtige?

# 10

DER LETZTE WAR DER FALSCHE? Ist dieser nun der Richtige Mann für mich? Machen Sie beim nächsten trotzdem nicht alles anders. Er könnte
schließlich der Richtige sein...

Text: Antonia Wemer, Illustration: Ramona Ring

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 „Nie wieder!“ sagte sie laut. „Nie wieder bin ich so naiv! Nie wieder glaube ich einem Typen alles, was er erzählt! Nie wieder gehe ich mit einem Mann am ersten Abend ins Bett! Und nie wieder lasse ich einen Kerl bei mir einziehen!“ Sie hob ihr Cocktailglas. „Beim nächsten Mann“, rief sie, und ihre Freundinnen hoben ebenfalls die Gläser, „wird alles anders!“ Der nächste Mann befand sich bereits im Lokal, aber er konnte die Warnung nicht hören. Die Musik war zu laut. Er sah nur die temperamentvolle Frau, die mit ihren Freundinnen auf etwas anstieß. Vielleicht hatte sie Geburtstag. Er rief den Kellner und steuerte eine Flasche Champagner bei. Drei Stunden später unterhielten sich die beiden prächtig. „Das ist der bestaussehende, intelligenteste und netteste Mann, der mir je begegnet ist“, dachte sie. „Das ist die schönste, klügste und liebenswerteste Frau, die ich je gesehen habe“, dachte er. Schließlich bot er an, sie nach Hause zu fahren. Sie lehnte ab. Ihre Handynummer wollte sie auch nicht herausrücken, also gab er ihr seine. Nach einer Woche rief sie endlich an. Er schlug einen Aus ug an einen See vor, wo er ein vorzügliches Restaurant kannte, aber sie wollte zu ihrem Lieblingsitaliener. Er erschien mit einem herrlichen Blumenstrauß, der Abend verlief wunderbar. Trotzdem dauerte es noch einen Monat, bis sie auf eine Essenseinladung bei ihm zu Hause einging. Sie genoss das Menü, das er für sie zauberte, verschwand aber um Mitternacht wie Cinderella. Doch sie blieb seine Märchenprinzessin. Er trug sie auf Händen, machte aufmerksame Geschenke und war – als sie ihn endlich erhörte – auch der beste Liebhaber, den sie je gehabt hatte. All das hätte sie glücklich machen können, schürte aber bloß ihr Misstrauen. „Nobody’s perfect“, dachte sie, „es muss einen Haken geben.“ Sie begann, ihm seltsame Fragen zu stellen, einmal spionierte sie ihm sogar nach.
Als er dahinter kam, war er fassungslos. Wie kam sie bloß auf so eine Idee? Die einzige Erklärung, die er  denken konnte, war, dass sie selbst etwas zu verbergen hatte. Plötzlich fiel ihm auf, dass er nur dreimal in ihrer Wohnung gewesen war. Er kannte auch noch niemanden aus ihrer Familie. „Ach was“, dachte er schließlich, „das hat bestimmt nichts zu bedeuten.“ Er beschloss, in Ruhe mit ihr zu reden. Leider verlief schon sein erster Satz nicht nach Plan. „Ich weiß, wir wollten uns heute bei mir treffen“, sagte er, „aber leider hat ein Rohrbruch meine Wohnung unter Wasser gesetzt.“ Sie brauchte enttäuschend lange, um ihn einzuladen, bei ihr zu logieren – und räumte kein einziges Regalfach frei. Drei Tage lebte er aus dem Ko er, half im Haushalt mit und verschob die Aussprache, um ihr Zeit zu geben, sich an die neue Nähe zu gewöhnen. Dann lud ihn eine alte Kollegin, die gerade ihren Job verloren hatte, zum Kaffee ein. Sie weinte während der ganzen Unterhaltung. Zum Abschied umarmte sie ihn herzlich. Ihr zerflossenes Make-up landete auf seinem Hemdkragen, im Wäschekorb – und in den Händen seiner Freundin. „Ich habe immer gewusst, dass etwas faul ist“, rief sie ihm hinterher, als er ging. „Ich hab’s dir schon immer gesagt“, sagte sein guter Freund zu ihm. „Du bist zu nett zu den Weibern!“ „Vielleicht hast du recht“, sagte er. „Aber …“, und er hob sein Glas, „bei der nächsten Frau wird alles anders!“

24.09.2014