flair im Juni

Die Heimat der Dinge

In der Juni-Ausgabe ist flair der neuen alten Sehnsucht auf der Spur, sich heimisch zu fühlen. flair-Feature-Chef Siems Luckwaldt stellt fest: Auch Dinge haben eine Heimat. Etwas über ihre Herkunft zu erfahren, wird uns immer mehr zum Bedürfnis

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Foto: Oliver Nimz

Einen Text über die Heimat der Dinge beginnt man vielleicht am besten an der eigenen Basis. In meinem Fall in Hamburg, Sie wissen schon Hanseat, Fischkopp, Waterkant und so weiter. Wirklich lokalpatriotisch habe ich mich nie gesehen. Von hier kam ich halt, von hier zog es mich an diverse Urlaubsziele, für ein knappes Jahr nach New York, später für fünf Jahre nach München. Und überall habe ich mich recht at home und dahoam gefühlt. Dachte ich.

Dann in rascher Folge ein echtes Wechselbad der Gefühle. Wir kehrten nach Hamburg zurück, begeistert, wieder in einer Stadt zu leben, die extrem am Wasser gebaut und eben das entscheidende bisschen größer ist. Viel hatte sich getan, ich entdeckte meine Heimat neu. Zwischendrin wandelten wir drei Wochen durch Manhattan. Der erste Schock: Mir ging die city that never sleeps mächtig auf den Zeiger. Zu voll, zu laut, zu dreckig, zu rastlos.

Ich, der lange dort und nur dort leben wollte, war echt angetörnt von der Megalopolis am Hudson. Und an der Elbe war Monat um Monat mehr der Wurm drin. Jede Baulücke wird verdichtet, neue Viertel sprießen wie die Krokusse, von Parkplätzen kann man nur noch im psychedelischen Wahn träumen, meine „asozialen“ Schübe wechselten sich in immer kürzerer Folge mit toleranten Phasen und gelegentlicher Freude ab.

Mit unserem Hund schließlich folgte der emotionale Supergau. Auf dem Land geboren kam sie zwar mit der großen Stadt klar, aber mehr auch nicht. Happy machten sie überfüllte, mit Dönerresten und Glasscherben dekorierte Trottoirs, Verkehrslärm und Lichtverschmutzung nicht. Was ich nie für möglich gehalten hätte, war eingetreten: Hamburg disqualifizierte sich langsam aber sicher als Heimatort, als Grundfeste, als hub.

Die Lösung: Wir, die Medienprofis, die Macha-Latte-Hipster, die Biomarkt-Käufer und Netflix-Streamer ziehen aufs Land. In ein über 100 Jahre altes Haus. Wird es unsere neue Heimat, werden wir uns to hus fühlen in Schleswig Holstein? Noch wichtiger: Welche Dinge dürfen uns dort hinbegleiten, als Erinnerung an den Ursprung unseres Lebens, an andere Zeiten, ein anderes Ich? Und welche Objekte werden ganz weit draußen zu Insignien unseres Jetzt? Gummistiefel haben wir jedenfalls schon. Einmal Design, einmal erdig rustikal.

Tschüssing und bis zur nächsten flair!

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29.05.2017