fashion

Konform? Non!

# 05/19

Wir alle sind einzigartig. Komisch nur, dass wir dabei alle gleich aussehen. Nie war es so schwierig wie heute, originell zu sein. Deshalb präsentieren wir Ihnen in der Mai-Ausgabe ein paar Vorschläge für mehr Individualität.

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Illustration: flair

Vor Kurzem passierte etwas sehr Lustiges. Ein Mann beschwerte sich beim Magazin MIT Technology Review darüber, ein Bild von ihm benutzt zu haben – im Kontext eines Artikels darüber, warum alle Hipster gleich aussehen. „Sie haben ein stark bearbeitetes Getty-Bild von mir benutzt, für Ihr aktuelles Clickbait- Stück darüber, warum alle Hipster gleich aussehen. Es ist ein schlecht geschriebener und beleidigender Text“, empörte sich der Mann und drohte mit rechtlichen Schritten. Hier ist die Pointe: Er war gar nicht der Mann auf dem Bild und bewies so versehentlich die These des Textes. Dieser handelte von einer Studie des Mathematikers Jonathan Touboul von der Brandeis University in Massachusetts, der Modelle dafür entwickelt hatte, wie Informationen sich in der Gesellschaft verbreiten und wie Gegenkulturen entstehen. Laut Touboul folgt die Mehrheit dem Mainstream, während eine Minderheit sich bewusst von ihm absetzen möchte. Zunächst passiert das unorganisiert, Einzelne suchen Formen der Distinktion von der Masse. Doch nach einiger Zeit synchronisiert sich das Verhalten der Nonkonformisten. Im Fall der Hipster tragen also alle man bun und Holzfällerhemd. Das Tragikomische daran ist nicht, dass sie es tun, sondern dass sie glauben, damit einzigartig zu sein. Individuell, unverkennbar sein, das wollen wir alle. Aber im digitalen Zeitalter, in dem sich Trends und Hypes immer schneller verbreiten, wird das immer schwieriger. Was bedeutet Individualität also im 21. Jahrhundert? Es geht gar nicht so sehr um Äußerlichkeiten als um ein Mindset – darum, eine eigene Haltung zu entwickeln.

Entfolgen Sie (fast) allen Mode-Influencern  

Nein, damit meinen wir nicht die großartige Leandra Medine und auch nicht Quirky-Sneaker-Look-Queen Veronika Heilbrunner, genauso wenig wie Stylistin und Farbkünstlerin Ana Gimeno Brugada. Es spricht nämlich nichts dagegen, sich von gut angezogenen Menschen inspirieren zu lassen. Wem sollte man dann entfolgen? Ganz einfach: allen, bei denen man den persönlichen Stil gar nicht beschreiben kann. Also all jenen, die schlicht keinen haben. Sie sind blond, sehen alle gleich aus und halten in die Kamera, wofür sie bezahlt werden: viele neue Taschenmodelle und Kopf-bis-Fuß-Looks von Designern, ohne Rücksicht darauf, an einem Tag noch Dolce-&-Gabbana- Sexbombe und am nächsten eine elegante Max-Mara-Lady zu sein. Warum es so wichtig ist, diese Leute aus seinem Feed zu werfen? Ganz einfach: Auch wenn das Gehirn funkt, dass das alles langweiliger Mainstream ist, bleibt unterbewusst doch jede Menge Mittelmaß hängen. Plötzlich hält man es für eine gute Idee, Muschelketten zu tragen – so wie Tausende andere auch! Spätestens dann sollten die Alarmglocken klingeln.

Seien Sie mehr alleine

FOMO, fear of missing out, ist der Begriff, den Millennials für die Angst erfunden haben, etwas zu verpassen. Heißt: Man geht auf eine Party, obwohl man eigentlich lieber im Pyjama auf der Couch netflixen würde. Oder verabredet sich regelmäßig mit Menschen, obwohl man sich gar nicht für sie interessiert. Natürlich sind soziale Kontakte wichtig. Aber jene mit jammernden und lästernden Energievampiren, nach denen man völlig erschlagen ins Bett fällt, sind überflüssig. Das Gleiche lässt sich übrigens auch auf Trends und Meinungen übertragen. Man macht sie mit, weil das ständige digitale Grundrauschen die eigene Stimme überlagert. Schluss mit der Energieverschwendung. In Wahrheit wissen Sie längst: Bei 99,9 Prozent der Partys verpassen Sie nichts. Alleine bleiben hat nichts mit Einsamkeit zu tun, sondern damit, das Rauschen verstummen zu lassen und wieder auf die eigene Stimme zu hören. Die flüstert Ihnen dann von ganz alleine, mit wem (oder womit) Sie wirklich Ihre Zeit verbringen wollen.

26.04.2019