Kolumne

Fußeindrücke - Schuhe als Symbol

# 11

Schuhe waren schon immer ein Status-Symbol. Was sagt es also über uns aus, wenn wir plötzliche alle Trekking-Sandalen und Birkenstocks tragen?

Text: Julia Werner

1

Der Ötzi ist wahrscheinlich kein unwichtiger Mann gewesen. Als er vor gut 5.300 Jahren auszog, über die Alpen zu marschieren, trug er nämlich Schuhe – ordentlich genähte Lederpantoffeln mit Bärenfellsohlen, einem robusten Innenschuh aus Faserschnüren, einer Heufüllung und dazu eine Art Leggings. Damit war er wesentlich besser ausgerüstet als die meisten Menschen der Vorzeit, die in primitiven Schuhen aus den Fellen ihrer Jagdbeute daherkamen (wenn sie überhaupt welche hatten).

Im alten Ägypten durften nur die versnobbten Pharaonen ihre göttlichen Füße mit Sandalen schützen, auch im alten Rom war das den oberen Zehntausen vorbehalten. Richtig interessant wurden Schuhe als Mittel der Distinktion allerdings erst viel später. Elegante, kompliziert verzierte Schuhe gehörten zu den Privilegien des europäischen Adels. Im 16. Jahrhundert trugen die Damen der Gesellschaft eine Zeit lang so hohe plateauartige Schuhe, dass sie stützende Zofen brauchten, um sich überhaupt zu Fuß fortbewegen zu können.

Nun, daran hat sich, bis auf ein paar Ausflüge in die Welt der flachen Schuhe, in den Sechzigern (man denke an Jackie Kennedy in Status-Symbol. Gucci-Trensenloafern) nicht viel geändert. Statt Zofe nahmen wir eben ein Taxi und zeigten damit dem Rest der Welt, dass wir nicht zur U-Bahn laufen wollten (und auch nicht mussten). Mit flachen Schuhen verhielt es sich bis jetzt so wie früher mit der Sonnenbräune: Bis tief ins 20. Jahrhundert hinein galt sie als verpönt, weil sie zeigte, dass man auf dem Feld arbeitete, während die Damen der Gesellschaft mit Sonnenschirmchen ihre vornehme Blässe schützten. Dann kam eine Art Paradigmenwechsel: Die Normalos arbeiteten nicht mehr draußen, sondern in durchklimatisierten Bürotürmen, während vom Leben Gesegnete wie Brigitte Bardot sich in der Sonne von Saint-Tropez aalten.

Was gerade an den Füßen von Fashion Girls passiert: Die Teva-Trekking-Sandale und die Birkenstock-Latsche regierten den Sommer, im Winter werden wohl flache Chelsea Boots und Schnürer die meistgetragenen Schuhe sein. High Heels? Tragen wir eigentlich nur noch zu besonderen Anlässen! Aber gab es nicht immer mal wieder Trends, die den flachen Schuh propagierten? Schon. Aber das, was gerade passiert, ist mehr als das, es ist ein Paradigmenwechsel. Das moderne Leben mit Job, Finanzkrise und Familie ist hart genug – da möchte sich niemand mehr mit Status-Symbolen quälen. Stattdessen müssen Schuhe bequem genug sein, um jederzeit schnell marschieren zu können – da geht es uns nicht anders als damals dem Ötzi.

05.11.2014