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flair im Interview mit Sängerin Ebony Bones

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Outfit: Steinrohner
Outfit: Steinrohner

Als Künstlerin zeichnet dich außerdem aus, dass du deine Songs selbst produzierst und ein eigenes Musiklabel besitzt, „1984 Record“. Wie wichtig ist es für dich, dein eigener Chef zu sein und über Dinge selbst bestimmen zu können?

Eigentlich war das gar nicht meine Entscheidung. Mich wollte einfach keine Plattenfirma unter Vertrag nehmen und meine Vision teilen. Aber ich habe so sehr an meine Kunst geglaubt, dass ich es eben selbst tun musste. Ich bin stark beeinflusst von der Punk-Attitude und kam früh mit Leuten in Kontakt, die mir beigebracht haben: Tu es selbst! Warte nicht auf Andere, sondern nimm dein Leben selbst in die Hand! Ich habe zu Beginn meiner Karriere große Defizite gesehen, was Frauen im Musikbusiness und besonders in der Produktion betraf. Und ich wollte daran etwas verändern. Also gründete ich mein eigenes Label und die Dinge nahmen ihren Lauf.

Das ist konsequent. Überhaupt wirkst du sehr im Reinen mit dir selbst. Hast du das Gefühl, angekommen zu sein?

Ich bin immer noch auf der Suche nach mir selbst. Und ich bin noch immer nervös, bevor ich auf die Bühne gehe oder Fotoshootings mache (lacht). Aber es ist eine Ehre, dass sich die Menschen für mich interessieren und dass ich meine Kunst zeigen kann. Ich hoffe, dass ich dadurch andere Menschen inspirieren kann, ebenfalls zu tun, was sie sich wünschen. Nichts ist unmöglich, wenn man an sich selbst glaubt.

Ebony Bones neue EP “Milk & Honey Part 1” ist ab dem 10. Obtober bei iTunes und Spotify erhältlich. 

Nächste Konzerte:
02.10.2015 Dornbirn, Spielboden
03.10.2015 Wien, Wave Vienna Festival

 

 

Ebony Bones ist eine Naturgewalt. Bei Auftritten begeistert die Londonerin ihr Publikum mit schrillen Outfits und einem energiegeladenen Genre-Mix. Abseits der Bühne hat sie sich im männerdominierten Musikbusiness als Produzentin etabliert. Eine starke Frau, die viel zu sagen hat. flair hat sie vor ihrem Konzert im Berliner Club Berghain getroffen und mit ihr über Mode und Selbstbestimmung gesprochen.

Interview: Ann-Kathrin Riedl
Fotos: Jonas Huckstorf
Styling: Ramona Tabita

Deine Mutter hat in der Modebranche gearbeitet, du kamst also schon früh mit Mode in Kontakt. Was macht sie in deinen Augen aus?

Für mich ist Mode das, was du in den Magazinen siehst. Sie ist Vorwärts-Denken, sie muss sich ständig weiterentwickeln. Stil hingegen hat mit deiner Persönlichkeit zu tun, das ist etwas ganz anderes. Ich finde es nicht wichtig, sich um Trends zu kümmern und zu wissen, was angesagt und was out ist. Du musst sich selbst kennen - das ist wahrer Stil.

Du scheinst deinen Stil jedenfalls gefunden zu haben. Deine Outfits sind sehr mutig und experimentell. Welche Designer trägst du am liebsten?

Ich liebe neue Designer, die etwas völlig Anderes ausprobieren. Und natürlich Vivienne Westwood, weil es eigentlich nie ihr Ziel war, mit Mode erfolgreich zu werden. Ich mag Menschen, die nicht in ein Schema passen wollen. Gleichzeitig gehört sie zu den wenigen weiblichen Designern, die Aufmerksamkeit bekommen. Es ist schockierend, wie sehr diese Industrie von Männern diktiert wird und wie sehr Männer darüber entscheiden, was wir tragen. Vor allem, weil man von außen betrachtet denken könnte, die Modebranche sei besonders fortschrittlich.

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Outfit: Francesco De Carli
Outfit: Francesco De Carli

In der Modebranche herrscht auch eine erstaunlich enge Definition von Schönheit. Kannst du dich damit identifizieren?

Schönheit ist das, was man nicht sehen kann. Sie ist nicht darauf beschränkt, welche Kleider wir tragen. Wir als Gesellschaft sollten mehr hinterfragen, von wem unsere Schönheitsstandards gesetzt werden. Ich wünsche mir, dass mehr Vielfalt in der Mode und in unserer ganzen Kultur gezeigt wird, denn wir leben in einer so bunten Welt.

Hattest du schon immer diese selbstbewusste Einstellung, oder musstest du sie erst erlernen?

Mit dieser Einstellung wird niemand geboren, man muss sie sich erarbeiten. Mit der Zeit habe ich festgestellt, wie wichtig es ist, du selbst zu sein und dich nicht an den Vorstellungen anderer Menschen zu orientieren. Spiel nicht nach den Regeln! Einzigartigkeit zahlt sich immer aus!

Bei unserem Shooting hast du heute nur Berliner Designer getragen. Was magst du an deutschem Design?

Die Einzigartigkeit. Die Stimmung, die heute in Berlin herrscht, ist wie elektrisiert. Ich liebe diese Freiheit und finde es wichtig, sie zu zelebrieren. Die Menschen hier haben einen viel besseren Stil als in London. Dort will im Moment jede Frau aussehen wie eine Kardashian. Das ist ok, wenn es tatsächlich dein Ding ist. Aber es wird auch schnell langweilig, wenn es jeder tut.

Welche Rolle spielt Mode für einen Künstler auf der Bühne?

Eigentlich finde ich, die Musik sollte für sich stehen. Aber dein Stil reflektiert deine Persönlichkeit und das hilft dir als Künstler, deine Botschaft zu übermitteln. Mode und Musik gehören zusammen wie die zwei Seiten derselben Münze. Man sieht das besonders gut an Künstlerinnen wie Grace Jones, Björk oder Nina Hagen. Übrigens liebe ich Nina Hagen sehr, sie ist wundervoll! Frauen wie sie sollten viel mehr gefeiert werden. Es gibt Künstlerinnen, die Weiblichkeit neu definiert haben, weil sie sich nicht angepasst haben und dagegen rebelliert haben, was Männer gemeinhin als hübsch oder sexy ansehen. Auch ich war schon immer mehr daran interessiert, mich selbst zufrieden zu stellen, als irgendwelchen Männerphantasien zu entsprechen.

Stellst du deshalb deine Bühnenoutfits oft selbst her?

Ja, ich liebe das! Ich sitze gerne im Tourbus und schneidere. Auftritte sind heutzutage sehr schwierig geworden, weil ich andauernd mit Smartphones um die Aufmerksamkeit der Zuschauer konkurrieren muss. Alle starren bei Konzerten nur noch auf ihre Displays. Ich versuche also, Bühnenoutfits zu tragen, die mir zumindest für eine Stunde die Aufmerksamkeit des Publikums sichern (lacht). Aber dafür muss man als Künstlerin nicht halb nackt sein.

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Outfit: Steinrohner
Outfit: Steinrohner

Gibt es einen großen Unterschied zwischen deiner Bühnenpersönlichkeit und Ebony im Privaten?

Ich glaube, ich gebe meinem Publikum mehr von mir selbst als irgendeiner Person im „echten Leben“. Es passiert etwas in dir, wenn du auf der Bühne stehst und die Energie der Menschen fühlen kannst. Die Bühne ist meine Kirche. Ich kann mich dort so ausdrücken, wie es sonst nirgendwo möglich ist. Das ist ein großes Geschenk, aber auch eine Bürde. Denn viele Menschen erwarten, dass du rund um die Uhr diese ausgeflippte Person von der Bühne bist. Manchmal habe ich das Gefühl, sie zu enttäuschen, denn im echten Leben kann ich sehr zurückhaltend sein.

In deinen Songs sprichst du häufig soziale und politische Fragen an. Würdest du dir wünschen, dass sich mehr Musiker damit beschäftigen?

Ich finde, es gibt viele Künstler, die sich wunderbar anhören, aber die nichts zu sagen haben. Da gibt es noch viel Luft nach oben. Ich will mit dem, was ich auf der Bühne tue, auch immer eine Botschaft verbinden. Du kannst das Interesse für soziale und politische Fragen ja niemandem aufzwingen. Wenn ich diese Themen in meine Kunst miteinschließe, dann ist es, als würde ich Medizin unter Süßigkeiten mischen, damit die Leute sie einnehmen (lacht). Es passieren so viele Dinge in der Welt, denen wir nicht genug Aufmerksamkeit schenken, zum Beispiel das Einwanderungsproblem in Europa. Ich möchte, dass diese Probleme genauso viel Aufmerksamkeit bekommen wie Mode und Celebrities. 

02.09.2015